Wird gesunde Führung zum Prüfstein? Was die Corporate Social Responsibility Directive für das BGM bedeutet

Corporate Social Responsibility Directive: Berichtspflicht trifft Führungskultur

Mit der Corporate Social Responsibility Directive (CSRD) rückt die Europäische Union ein Thema in den Mittelpunkt, das bislang oft im Schatten wirtschaftlicher Kennzahlen stand: die Verantwortung von Unternehmen für die Gesundheit und das Wohlbefinden ihrer Beschäftigten. Seit 2024 gilt die Richtlinie für große börsennotierte Unternehmen, ab 2026 für alle größeren Unternehmen – und verpflichtet zur erweiterten Berichterstattung über nichtfinanzielle Aspekte der Unternehmensstrategie.

Was dabei häufig übersehen wird: Laut Prof. Bernhard Badura, (Onlineseminar der IGA am 12.11.2025), einem der führenden Wissenschaftler im Bereich Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM), betrifft die CSRD nicht nur Umwelt- oder Sozialindikatoren. Sie stellt vielmehr auch die Führungskultur in den Mittelpunkt – und fordert damit eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit der Frage, wie in Unternehmen geführt wird.

Denn wo Führung nicht gesund geschieht, entstehen Risiken – für die mentale Gesundheit, die Produktivität und letztlich für die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens. Die CSRD ist in dieser Perspektive nicht nur Berichtspflicht, sondern ein Korrektiv: Sie zwingt Unternehmen dazu, die Qualität ihrer Führung und Kultur systematisch zu hinterfragen.

Corporate Social Responsibility Directive: Vertrauen als strategische Ressource

Prof. Badura macht deutlich, dass gesunde Führung keine Frage individueller Persönlichkeitsmerkmale ist, sondern eine strukturelle Voraussetzung für nachhaltigen Unternehmenserfolg. Entscheidend sei der Übergang von einer Misstrauenskultur, die auf Kontrolle, Sanktion und Distanz basiert, hin zu einer Vertrauenskultur, die von Transparenz, Beteiligung und Orientierung geprägt ist.

Gesunde Führung gelingt dann, wenn folgende Fragen ernsthaft gestellt und beantwortet werden:

  • Kann, darf und will der Mitarbeitende seine Aufgaben erfüllen?
    Die sogenannte KDW-Frage hilft, Ursachen von Fehlverhalten zu analysieren, anstatt vorschnell zu sanktionieren. Sie fragt nach Kompetenz, rechtlicher Klarheit und innerer Bereitschaft.
  • Welche Rolle spielt die Führungskraft im Entstehen oder Lösen von Problemen?
    Führungskräfte benötigen Gesprächskompetenz, ein klares Rollenverständnis und strukturelle Rückendeckung, um Gesundheit zu fördern – nicht nur Fehlverhalten zu sanktionieren.

Die Folgen einer fehlgeleiteten oder unklaren Führungskultur lassen sich messen: Absentismus, Präsentismus, Qualitätsverluste und Fluktuation sind die vier zentralen Ergebnisparameter, die Badura mit ungesunder Führung in Verbindung bringt. Maßnahmen zur Gesundheitsförderung bleiben laut ihm häufig wirkungslos, weil sie nicht an den Ursachen ansetzen – sondern lediglich Symptome adressieren.

Impulse für Unternehmen

Vor diesem Hintergrund ergibt sich eine klare Handlungsaufforderung: Unternehmen sollten die Anforderungen der CSRD nicht als bürokratische Pflicht, sondern als strategische Chance begreifen. Denn wer die eigene Führungskultur nicht aktiv gestaltet, überlässt zentrale Einflussfaktoren dem Zufall.

Achtung! Gut zu wissen, die Berichte sollen auch in Kreditvergaben Berücksichtigung finden.

Konkret heißt das:

  • Führung weiterdenken: Nicht Kontrolle, sondern Beziehungsgestaltung, Sinnstiftung und Orientierung stehen im Zentrum moderner Führung.
  • Gesundheit strategisch verankern: BGM darf kein Zusatzmodul sein, sondern muss dort wirken, wo Belastung entsteht – in Strukturen, Prozessen und Führungsalltag.
  • Verantwortung sichtbar machen: Die Einführung von Gesprächsformaten wie Erwartungs-, Kritik- oder Ermahnungsgesprächen bietet Führungskräften Sicherheit und schafft Verlässlichkeit für Beschäftigte.
  • Kultur messen und steuern: Die vier Ergebnisparameter sollten regelmäßig analysiert und in die Führungsbewertung integriert werden.

Fazit

Die Corporate Social Responsibility Directive bringt eine neue Qualität in die Debatte um Führung und Gesundheit. Sie fordert Unternehmen dazu auf, Verantwortung nicht nur zu benennen, sondern nachweislich zu leben. Für Prof. Badura ist klar: Eine gesunde Organisation entsteht nicht durch Einzelmaßnahmen – sondern durch eine systematisch aufgebaute Vertrauenskultur, getragen von reflektierter, handlungsfähiger Führung.

Wer diese Chance nutzt, fördert nicht nur das Wohlbefinden seiner Beschäftigten – sondern auch die langfristige Zukunftsfähigkeit des eigenen Unternehmens.