Ist weniger mehr? Wie Bürokratieabbau den Arbeitsschutz stärken kann

Bürokratieabbau: Entlastung durch gezielte Vereinfachung

Der moderne Arbeitsschutz steht vor einem doppelten Anspruch: Er soll einerseits ein hohes Schutzniveau für Beschäftigte garantieren und gleichzeitig den administrativen Aufwand für Unternehmen, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU), reduzieren. Das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) entwickelte Konzept für einen effizienten und bürokratiearmen Arbeitsschutz adressiert genau diesen Spagat. Es zielt auf ein schlankeres, praxisnäheres und digitalisiertes Regelwerk ab – ohne dabei die Sicherheit der Beschäftigten zu gefährden.

Bereits kurzfristig sollen spürbare Entlastungen umgesetzt werden: Das „Sofortprogramm Bürokratierückbau“ sieht unter anderem die Abschaffung von bestimmten betrieblichen Beauftragten vor. Dazu gehört etwa die Aufhebung der Pflicht zur Bestellung von Sicherheitsbeauftragten in KMU mit weniger als 50 Beschäftigten. Für Unternehmen mit bis zu 250 Beschäftigten soll die Zahl der Beauftragten begrenzt werden. Laut BMAS führt allein diese Maßnahme zu einer jährlichen Einsparung von rund 135 Millionen Euro und betrifft über 120.000 Sicherheitsbeauftragte bundesweit.

Ein weiterer Schritt ist die Abschaffung des sogenannten Druckluftbeauftragten infolge der Außerkraftsetzung der entsprechenden Verordnung. Die relevanten Sicherheitsanforderungen werden in bestehende Arbeitsschutzverordnungen integriert, sodass das Schutzniveau erhalten bleibt. Auch Beauftragte gemäß DGUV Vorschrift 1 – etwa bei Fremdfirmeneinsätzen oder gefährlichen Tätigkeiten – sollen im Rahmen der Selbstverwaltung entfallen.

Bürokratieabbau: Digitalisierung und neue Rollenverteilung

Der zweite Schwerpunkt des Bürokratierückbaus liegt auf der Modernisierung von Formerfordernissen. In Zukunft sollen entbehrliche Schriftformerfordernisse durch Textform oder elektronische Verfahren ersetzt werden. Das vereinfacht Abläufe, beschleunigt Prozesse und spart jährlich rund 1,5 Millionen Euro. Gleichzeitig wird das Arbeitsschutzrecht strukturell modernisiert, um eine stärkere Ausrichtung an tatsächlichen Gefährdungslagen zu ermöglichen. Ziel ist es, nicht nur die Vorschriften zu entschlacken, sondern auch deren Umsetzung effizienter zu gestalten.

Mittelfristig – mit Start im Jahr 2026 – sollen „KMU-Checks“ eingeführt werden, die bestehende Regelungen der staatlichen Arbeitsschutzausschüsse auf ihre Praxistauglichkeit für kleine Betriebe prüfen. Dieser präventive Regelrückbau wird integraler Bestandteil künftiger Arbeitsprogramme der Ausschüsse. Parallel dazu ist eine Reform der Präventionsvorschriften im SGB VII geplant, die ebenfalls auf eine stärkere Digitalisierung und Vereinfachung abzielt. Laut BMAS belaufen sich die erwarteten jährlichen Einsparungen hier auf rund 50 Millionen Euro.

Nicht zuletzt wird auch das Regelwerk der gesetzlichen Unfallversicherung überarbeitet. In der DGUV Vorschrift 1 sollen weitere Beauftragtenpflichten gestrichen werden. Zudem wird klargestellt, dass es keine gesetzliche Pflicht zur Bestellung sogenannter Leiterbeauftragter gibt – eine Maßnahme, die häufig für Verunsicherung sorgte. Auch die bislang doppelte Prüfung von dienstlich genutzten Fahrzeugen soll entfallen, wenn bereits eine Untersuchung nach der StVZO erfolgt ist.

Impulse für die Praxis

Das vorgestellte Konzept zeigt deutlich: Bürokratierückbau im Arbeitsschutz ist kein Selbstzweck, sondern ein Instrument zur Effizienzsteigerung und zur Förderung von unternehmerischer Verantwortung. Für Unternehmen ergeben sich daraus konkrete Handlungsansätze:

  • Überprüfen Sie interne Prozesse: Welche Beauftragtenrollen oder Formerfordernisse sind noch notwendig? Was kann entfallen?
  • Nutzen Sie digitale Lösungen: Elektronische Formulare, digitale Dokumentation oder automatisierte Prozesse können helfen, neue Spielräume auszuschöpfen.
  • Begleiten Sie die Veränderungen aktiv: Die Umstellung auf neue Regelungen erfordert klare Kommunikation, insbesondere gegenüber Führungskräften und Belegschaft.

Ein reflektierter Umgang mit den neuen Spielräumen verhindert, dass der Abbau formaler Vorgaben zu einem Verlust an Schutzstandards führt. Die Verantwortung für sicheres Arbeiten bleibt – nur die Wege dorthin werden effizienter gestaltet.

Fazit

Weniger Bürokratie – mehr Wirksamkeit? Das Konzept des BMAS gibt eine klare Richtung vor: Der Arbeitsschutz der Zukunft soll zielgerichteter, digitaler und praxisnäher werden. Besonders für KMU bietet der Bürokratieabbau die Chance, Ressourcen freizusetzen und sich stärker auf das Wesentliche zu konzentrieren – den Schutz der Beschäftigten. Entscheidend wird sein, dass Unternehmen diese Reformen nicht nur als Entlastung, sondern auch als Gelegenheit zur strukturellen Weiterentwicklung begreifen. Denn ein moderner Arbeitsschutz braucht mehr als Regeln – er braucht Verantwortung, Augenmaß und den Mut zur Veränderung.